Nicht immer nur im Hier und Heute …

Robert Musil schreibt in seinem Roman ›Der Mann ohne Eigenschaften‹ über Ulrich, den Protagonisten und seine tief empfundene Zusammenhanglosigkeit der gestalterischen Einfälle, deren Ausbreitung ohne jeden Mittelpunkt, ohne jede Einheit. Ulrich leidet nicht darunter, vielmehr fragt Musil in seinem Namen, ob es nicht doch erst Vorurteile, Überlieferungen, Schwierigkeiten und Beschränkungen bedarf, um all das einzuordnen, was uns so einfällt. Darüber musste ich nachdenken …

Sollten wir uns nicht auch endlich mit dem Gedanken beschäftigen, aus welchen Ecken und Kämmerchen unserer Existenz all das Neue denn kommen soll? Wir könnten uns eine Art Archiv vorstellen, in dem wir mit großer Sorgfalt unsere Vorurteile und Überlieferungen, all die Schwierigkeiten und Beschränkungen versammeln. Wir könnten dann neue Einfälle in einen Zusammenhang bringen und könnten frei assoziieren, wie Legokinder in den Bruchstücken unserer Welt- und Wirklichkeitserfahrung umherstreifen und eins mit ihnen sein.

Was passiert, würden wir uns diesem ganzen Selbstgedachten und Selbstgefühlten permanent aussetzen? Wäre es vielleicht störend oder hinderlich, würden all die versammelten Schwierigkeiten und Beschränkungen von gestern in unser Heute hineinragen? Aber ach, all die Bruchstücke sind ja eh da, sie sind bei uns … aber sie schlummern, verbergen sich und schleichen sich manches Mal auf höchst niederträchtige Weise in unsere Gedanken und von dort, nur unzureichend kontrollierbar, in unsere Bleistifte und Notizbücher.

Niklas Luhmann, der Soziologe, arbeitete mit seinem Zettelkasten und der Zettelkasten arbeitete in ihm. Luhmann war ein begnadeter Aufschreibetechniker und er schuf sich seinen Golem. Immer wieder frage ich mich, welche Formen der Selbstentäußerung so eine ›menschliche Entwurfsmaschine‹ ausmachen. Lesen Sie bitte den kurzen Luhmann-Text, dann verstehen Sie, was Künstliche Intelligenz auch noch sein kann.

Luhmann, N. (1981). Kommunikation mit Zettelkasten. Ein Erfahrungsbericht. 
In: H. Baier et al. (eds.)(1981). Öffentliche Meinung und sozialer Wandel / 
Public Opinion and Social Change. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Bild: 'ZK I: Zettel 17,3,6c2' (Zettelkasten von Niklas Luhmann)

„17,3,6c2 alle Aspekte einer Sache; sie lässt einen Spielraum für modische 
Alternativen offen. Bei der Ausfüllung dieses unbestimmten Spielraumes durch 
die Mode ist zweierlei wesentlich: 1.) Dass überhaupt Alternativen gesehen werden, 
dass überhaupt "design", die Wahl der modischen Form ein artistisches und ökonomisches 
Problem ist, das Planung und bewusste Entscheidung erfordert. In früheren Zeiten gab 
es für das Aussehen der Dinge traditionale Muster, die Richtlinien und Rahmen für 
die Gestaltung des Einzelobjektes waren. Stiländerungen vollzogen sich langsam 
in dem Masse, als die Vorstellun-“
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