Digital Transformation

“Daß unser Dasein in der Welt programmiert ist, daß die Welt selbst programmiert ist, ist eine relativ neue Vorstellung. Viele damit verbundene Aspekte sind noch nicht ins Bewußtsein gedrungen. Von alters her sind wir gewohnt, die Vorstellung eines vom Schicksal gelenkten Daseins zu hegen, und die Naturwissenschaften haben in uns die Vorstellung eines von der Natur bedingten Daseins geweckt. Die Gegenwart fordert uns auf, diese drei Vorstellungen – Schicksal, Bedingtheit, Programm neu zu durchdenken.”
Vilém Flusser, Nachgeschichte

Die ›digitale Transformation‹ ist ein anhaltender Prozess, der unsere globale Gesellschaft verändert. Er greift in zunehmender Geschwindigkeit  — gewollt oder ungewollt — in Verhältnisse ein, die sich der Mensch geschaffen hat. Neue Verhältnis aber existieren nicht mehr. Das Neue ist in diesem Sinne nicht mehr ›vorhanden‹, bildet keine neuen Verhältnisse. Die permanente Verwandlung ist das eigentlich ›Neue‹. Sie vollzieht sich in zwei Schritten. Zuerst lösen Verhältnisse auf, indem wir die Beziehungen zwischen den Dingen lösen. Dabei segmentieren oder modularisieren wir komplexe Bedeutungsträger wie ›Stadt‹, ›Verkehr‹, ›Bildung‹, ›Politik‹ etc. und erhalten viele kleine, steuerbare diskrete Funktionsträger, die wir dann, in einem zweiten Schritt miteinander arrangieren können. Diese neuen Zusammenhänge erschließen wir uns nicht mehr ausschließlich vermittels natürlicher Sprache und ihrer Sprechakte. In vielen Fällen genügt es uns, wenn die Dinge technisch kompatibel sind oder auf ein gemeinsames ›Protokoll‹ zurückgreifen. So digitalisieren (oder parametrisieren) wir unsere sozialen Verhältnisse, verlieren alte Bindungen und geraten in neue soziale Zusammenhänge, in denen nicht-soziale Dinge ein viele wichtigere Rolle spielen. Diesen ganzen Prozess beschreiben wir gerne als einen kreativen Akt, dessen weitreichende Folgen jedoch Fragen aufwerfen. “Darf man das alles einfach so machen?” Für Gestalter*innen werden die Widersprüche ihrer Disziplin erkennbar, sobald sie jenseits der eigentlichen formalästhetischen Arbeit auch ökologische oder ökonomische Perspektiven berücksichtigen sollen. Spätestens dann wird erkennbar, daß die Disziplin, angesiedelt im argumentativen Niemandsland zwischen ›nachhaltiger Bewahrung‹ und ›disruptiver Veränderung‹ ihre Argumente je nach Sachlage wählt und kombiniert. Mal sind es ökonomische (vlg. wirtschaftliche), mal ökologische Gründe die man vorbringt, oder Probleme die man aufwirft, um das eigene ›Design‹ qualitativ zu rechtfertigen. Auf diese Weise nutzt jede Konsumgesellschaft ›ihr Design› und organisiert und / oder sublimiert auf dieser Art ihre dissonanten Empfindungen. Es geht also nicht nur um die Stärken und Chancen dieser beiden Teilprozesse, es geht immer auch um die Schwächen und Bedrohungen, die vorstellbar und möglich sind und die durch Design sichtbar oder eben häufig auch unsichtbar werden. Die Vorlesung behandelt politische, kulturelle wirtschaftliche und ästhetische Fragen der ›digitalen Transformation‹ in einer Gesamtschau.

Digital transformation’ is an ongoing process that is changing our global society. It intervenes with increasing speed – intentionally or unintentionally – in the relationships that man has created. New relationships (of these old ones) no longer exist. In this sense, the new no longer ‘exists’, does not form new relationships. The permanent transformation is actually the ‘new’. It takes place in two steps. First, relationships dissolve between entities. In doing so, we segment or modularize complex carriers of meaning such as ‘city’, ‘traffic’, ‘education’, ‘politics’, ‘language’‹ and obtain many small, controllable discrete function carriers, which we can then arrange together in a second step. These new contexts are no longer exclusively accessible through natural language and its speech acts. In many cases it is enough for us if things are technically compatible or if we use a common ‘protocol’. Thus we digitize (or parameterize) our social relations, lose old bonds and get into new social contexts in which non-social things play a much more important role. We like to describe this whole process as a creative act whose far-reaching consequences, however, raise questions. “Is it okay to do it all just like that?” For us designers, the contradictions of our discipline become apparent as soon as we are to take ecological or economic perspectives into account — beyond all the actual formal aesthetic work. Since at least it becomes apparent that our discipline, located in the argumentative nowhere land between ‘ sustainable preservation ‘ and ‘ disruptive change ‘, chooses and combines its arguments according to the situation. Sometimes there are economic, sometimes ecological reasons that one puts forward, or problems that one raises in order to qualitatively justify one’s own ‘ design ‘. In this way, every consumer society uses ‘ its design ‘ and organizes and / or sublimates its cognitive dissonances. Therefore it’s not just about the strengths and opportunities of these two sub-processes, it’s always about the weaknesses and threats that are imaginable and possible and that become visible or often invisible through design. The lecture deals with political, cultural, economic and aesthetic questions of ‘digital transformation’ in a comprehensive overview.


1 Einführung


2 Systeme Denken


3 Infrastrukturen, Netzwerk, Raum


4 Interactivity


5 Generative Art


6 Analyse und Synthese


7 Synthese und Problemdesign


8 Feedback Machines


9 Arbeit am Mythos


10 Weltmodelle